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Die Corona-Krise – Impuls und Katalysator für nachhaltige Veränderungen

Bis Anfang des Jahres 2020 gab es für die Bau- und Bauzulieferindustrie seit mehr als 5 Jahren fast nur erfreuliche Entwicklungen. Wachstum wurde in erster Linie durch fehlende Planungskapazitäten sowie einen Mangel an Fachkräften und Spezialisten begrenzt. Die Nachfrage wuchs in fast allen Gewerken und die Rahmenbedingungen der Zukunft gestalteten sich grundsätzlich positiv. Mit Ausbruch der Corona-Krise änderte sich auch für die Bauindustrie und deren Zulieferer nahezu alles. Obwohl die aktuellen Umsätze in der Branche im ersten Quartal noch deutlich stiegen, läuft die Auftragspipeline der Bauindustrie langsam leer (Die Welt, 29.05.2020, Seite 9). Insbesondere in Gewerbe-, Industrie- und Straßenbau gingen die Auftragseingänge in den letzten Wochen deutlich zurück. Einzig der private Wohnungsbau zeigt sich robust und verzeichnet bisher keine signifikanten Auftragsrückgänge. Neben Auftragsrückgängen gestalteten sich in der Anfangsphase der Corona-Krise auch die Rahmenbedingungen auf den Baustellen schwierig und herausfordernd. An vielen Stellen kam es zu personellen Engpässen, da Arbeitnehmer und Subunternehmer aus den Nachbarländern als Arbeitskräfte aufgrund von Grenzschließungen nicht mehr zur Verfügung standen. Auch die Besuchstätigkeiten des Vertriebsaußendienstes der Bauzulieferindustrie kamen insbesondere beim Handel sowie bei Planungs- und Architekturbüros fast vollständig zum Erliegen, viele Industrieunternehmen ließen ebenfalls nur in Ausnahmefällen Besuche zu.

In der Zwischenzeit hat sich die Lage wieder deutlich entspannt. Ausländische Arbeitnehmer können ihre Tätigkeit auf Baustellen wieder aufnehmen. Auch der Außendienst arbeitet weitestgehend normal. Die Lieferketten sind grundsätzlich stabil, sowohl im Bau als auch im Handwerk gestaltete sich die Beschäftigungsentwicklung trotz Krise positiv und steigerte sich in 2020 um 4 % gegenüber dem Vorjahr. (haustec 28.05.2020) Auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene verbessert sich der Konsumklimaindex bereits wieder.

Für das Jahr 2020 geht die Bauindustrie von einer Stagnation des baugewerblichen Umsatzes aus (Hauptverband der Deutschen Bauindustrie). Bei einem erwarteten Rückgang des BIP von 4,2 % für 2020 eine positive Entwicklung. Vor diesem Hintergrund wird es wichtig sein, Investitionen in Verkehr und öffentlichen Infrastrukturen zu intensivieren und insbesondere die kommunalen Haushalte zu unterstützen, um notwendige Bau- und Infrastrukturprojekte umzusetzen. Des Weiteren wird die Investition in Umwelt- und Klimaschutz-Infrastruktur aus dem Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket zusätzliche Impulse für die Bautätigkeit in verschiedenen Segmenten geben. Auch die Auftragsreserven aus der Boomphase der letzten Jahre sowie eine weniger starke Exportorientierung als bei Branchen wie dem Maschinenbau oder der Automobilindustrie und die eher  langfristig angelegten Investitionsentscheidungen im Bereich des Bauens dürften sich positiv auf die Entwicklungen in der Branche auswirken. Die Konsequenzen werden jedoch eher konjunktureller Natur und, im Gegensatz zu Tourismus, Automobilindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, nicht struktureller oder gar existentieller Natur sein. Trotz dieser positiven Schlussfolgerungen wird auch die Bau – und Bauzulieferindustrie strukturelle Veränderungen durchlaufen müssen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass  die Coronavirus-Krise wie ein Beschleuniger für Veränderungsprozesse wirkt, die sich bereits seit geraumer Zeit abzeichneten und nun mit Macht zur Umsetzung drängen. Exemplarisch wollen wir 3 Bereiche intensiver beleuchten:

1. Zunehmende Digitalisierung in Vermarktung und Vertrieb

Die Bedeutung von Messen und Kongressen wird auf absehbare Zeit als Plattform zur Präsentation von Innovationen und Unternehmen stark abnehmen. Auf der Bau 2019 gab es rund 2.250 Aussteller. Insgesamt wurde die Messe von etwa 250.000 Menschen besucht, hiervon etwa ein Drittel aus dem Ausland. Wie die neuesten Erkenntnisse zu Hotspot-Ereignissen zeigen verbreitet sich das Virus, insbesondere in geschlossenen Räumen und bei größeren Menschenansammlungen, sehr leicht auch über Aerosole Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wer auf Veranstalter- und Ausstellerseite das potenzielle Risiko, das mit solch einer Großveranstaltung verbunden ist, tragen möchte. Eine Rückverfolgbarkeit bei Infizierungen wird wohl trotz der neuen Corona-App schwierig und die Vorstellung, eine ganze Branche bei Infektionsfällen auf einer Messe in Quarantäne zu schicken, ist zumindest unerfreulich.

Da Messen und Großveranstaltungen die Hauptplattform zur Vorstellung von Innovationen und zur Darstellung des Produktprogramms boten, stellt sich die Frage, wie die hieraus entstandene Lücke geschlossen werden kann. Eine wichtige Rolle werden digitale Kanäle und der persönliche Kontakt übernehmen. Hierbei spielt der Außendienst eine besondere Rolle.

Während nach unserer Einschätzung in der Bearbeitung der Handwerksbetriebe die Veränderungen in Richtung Digitalisierung der Bearbeitungsstrategien langsamer von statten gehen werden, prognostizieren wir eine starke Zunahme des Einsatzes digitaler Möglichkeiten in der Objektverfolgung und der Betreuung des Handels, sowie Industrie und öffentlichen Stellen. In der Bearbeitung der Zielgruppe Handwerk wird auch weiterhin der Aufbau einer persönlichen Vertrauensbasis die entscheidende Rolle spielen. Oft müssen Probleme auf der Baustelle gelöst werden und die persönliche Bindung zwischen Außendienst und Inhaber eines Handwerkerbetriebs spielt für die Kundenbeziehung eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus war der Handwerksbetrieb nicht gezwungen, seine kompletten Prozesse innerhalb der Corona-Krise auf Homeoffice umzustellen. Die Wertschöpfung wurde weiterhin auf der Baustelle erbracht.

Insbesondere bei der Zielgruppe Planer und Architekten aber auch im Handelsbereich stellt sich diese Situation anders dar. Dort wurden die Arbeitsprozesse von einem Tag auf den anderen neu gestaltet und vielfach auf Homeoffice umgestellt. Die Gewöhnung an digitale Prozesse und das Arbeiten im digitalen Umfeld hat sich aus diesem Grund in diesen Zielgruppen bereits weitestgehend vollzogen. Dies erfordert in der Marktbearbeitung und Objektverfolgung ein Umdenken. Instrumente wie BIM, der Einsatz digitaler Daten, online-Präsentationen in Form von Webinaren sowie Videokonferenzen werden noch schneller an Bedeutung gewinnen.

Neben der Hard- und Softwareausstattung spielen technische Expertisen der eigenen Mitarbeiter im Umgang mit den verwendeten Systemen eine wichtige Rolle. Eine Web-Präsentation zu organisieren oder ein Angebot online zu präsentieren, erfordert zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten, die erlernt und trainiert werden müssen. Hier wird in naher Zukunft ein großer Bedarf an Coaching und Hilfestellungen durch die Unternehmen nötig werden. Auch die persönliche Darstellung über digitale Medien spielt an dieser Stelle eine wichtige Rolle. Angefangen bei der Tatsache, dass Präsentationen online eine andere Vorgehensweise erfordern, als eine persönliche Präsentation, bis zu dem Umstand, dass auch digitale Kommunikation das Unternehmensimage abbildet. Die Wirkung am Bildschirm vermittelt idealerweise einen Eindruck der Professionalität und repräsentiert die Marke ebenso, wie im persönlichen Gespräch. Kleidung, Gestaltung des Umfeldes und des Hintergrundes, ausreichende Netzqualität, zeitgemäße technische Ausstattung, Kamerastellung, Sprachverständlichkeit etc. sollten dem Rechnung tragen. Ein hochwertiges, technisch anspruchsvolles, ggf. auch designorientiertes Produkt bedarf auch einen authentischen und professionellen Auftritt - sowohl persönlich als auch digital.

Selbstverständlich werden auch in Zukunft der persönliche Besuch und die Präsentation vor Ort eine wichtige Rolle spielen, aber die Häufigkeit wird tendenziell abnehmen. Dies beinhaltet nicht nur Risiken, sondern eröffnet auch enorme Chancen. So lassen sich Effizienzeffekte in der Bearbeitung durch Online-Meetings und Präsentationen erreichen, aber auch die Positionierung als fortschrittliches, innovatives Unternehmen lässt sich durch ein professionelles Dialogmarketing in Verbindung mit persönlicher, digitaler Beratung in einer effektiven Weise festigen. Für diese Zusammenhänge muss ein Bewusstsein geschaffen werden und die Mitarbeiter sollten bei der Umsetzung der veränderten Rahmenbedingungen aktiv unterstützt werden. Hierzu ist es notwendig, digitale Infrastrukturen zur Verfügung zu stellen, den Umgang hiermit zu trainieren, Standards zu definieren und so auch notwendige Soft-Skills weiterzuentwickeln.

Diese Veränderungen stellen auch neue Herausforderungen an das Anforderungsprofil bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter im Vertrieb und Marketing der Bauzulieferindustrie dar. Insbesondere im Objektvertrieb nimmt die Bedeutung des strategischen Vertriebs weiter zu. Neben dem Knowhow, zur richtigen Zeit die richtige Zielgruppe mit den richtigen Informationen zu versorgen, nimmt der Einsatz digitaler Instrumente innerhalb des Vermarktungsprozesses rasant an Bedeutung zu und wird sich zu einem nachhaltigen Wettbewerbsfaktor entwickeln. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, für den Erfolg sowohl Technik als auch Strategie an den Bedürfnissen der Zielgruppe ausgerichtet einzusetzen. Schnelligkeit, Professionalität in der technischen Beratung und die Fähigkeit, individuelle Bearbeitungsschritte abzuleiten, spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Die Anforderungen an den Objektvertrieb umfassen also neben hoher technischer Produktkompetenz auch weiterhin sehr gute Kontaktfähigkeit und Affinität zu CRM-Systemen. Hinzu kommt jedoch verstärkte digitale Kompetenz, verbunden mit der Fähigkeit, über diese Systeme Projekte im Team zielgerichtet aufzusetzen, konsequent zu verfolgen und zum Erfolg zu führen.

2. Krise als Treiber für Innovation in Klima und Umwelt

Innerhalb des beschlossenen Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets nimmt die Förderung von Innovation und Investition zur CO2 Reduktion in Gebäuden einen zentralen Stellenwert ein. Sowohl in der energetischen Sanierung von Gebäuden als auch in der Förderung von Technologien zur CO2 Reduzierung, werden die Maßnahmenpakete deutlich aufgestockt. Hierin liegt eine erhebliche Chance für die Bauzulieferindustrie. Der Anteil der Emissionen, der durch den Betrieb von Gebäuden entsteht, wird auf etwa 30 % geschätzt. Zwei Drittel der Wohngebäude wurden vor der ersten Wärmeschutzverordnung erstellt (BMU 2019). Das Einsparpotenzial ist in diesem Bereich besonders hoch. Fenstererneuerung, eine verbesserte Wärmedämmung sowie moderne Heiztechnologien bieten hier im Bestand hohe Potenziale zur CO2-Reduktion, die mit erhöhten Förderprogrammen erschlossen werden sollen. Im Bereich des Neubaus stellen insbesondere neue Technologien, wie die im folgenden Artikel beschriebene Brennstoffzelle in der Vernetzung mit Wärmepumpe und einem auch durch Smart-Home Anwendungen optimierten Verbrauch, hohe Potenzialreserven zur CO2-Reduktion. Werden diese zukunftsorientierten Technologien sinnvoll mit digitaler Infrastruktur und der Einbindung von Elektromobilität verbunden, ist das CO2-neutrale Haus, welches das Elektroauto über eine Brennstoffzelle lädt und dessen Batterie auch wieder als Energiespeicher für das Wohngebäude benutzt wird, zeitnah vielleicht keine Utopie mehr, sondern alltägliche Realität.

3. Die Bedeutung von nachhaltiger Führung für den langfristigen Unternehmenserfolg.

Wenn die derzeitige Krise eines offensichtlich gemacht hat, dann die Erkenntnis, das faktenbasierte Entscheidungen meist bessere Ergebnissen liefern. Länder mit ausgeprägtem Populismus und narzisstischen Führungspersönlichkeiten führen die Corona Statistiken weltweit in negativem Sinne an.

Gemeint ist an dieser Stelle nicht der gesunde Narzissmus, der Antrieb verleiht, Gruppenidentität schafft, Erfolge feiert, in der Lage ist zu reflektieren und sich an der Realität zu orientieren, sondern der übersteigerte, bösartige Narzissmus, der sich in übersteigerter Egozentrizität, hoher Empfindlichkeit bei Kritik, Empathielosigkeit und Entwertung anderer Meinungen äußert. Beispiele finden sich derzeit auf der Bühne der Weltpolitik zur Genüge. In weiten Teilen der Wirtschaft war in den letzten Jahren verstärkt die Meinung populär, Manager mit narzisstischer Persönlichkeitsstruktur erzielen aufgrund ihrer Energie, ihrem Durchsetzungswillen und ihrer Selbstdarstellungsfähigkeit die besseren Unternehmensergebnisse. In schwierigen Zeiten offenbart sich jedoch dieser oftmals fatale Trugschluss. Nicht das Wohl des Unternehmens und seine Ziele stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten einer solchen Führungskraft, sondern die Durchsetzung der eigenen Größen- und Allmachtsvorstellungen. Diese Kombination kann, muss aber nicht übereinstimmen. Die ständige Suche nach Bestätigung führt vielmehr dazu, sich mit Bewunderern und Ja-Sagern zu umgeben. Kritik wird nicht toleriert und führt zur Abwertung. So entsteht eine Kultur, die Innovation und Offenheit untergräbt. Wertschätzung, aktives Zuhören, Einfühlungsvermögen und Lösungsorientierung bleiben auf der Strecke. Ergebnisse werden nur akzeptiert, wenn sie den eigenen Standpunkt bestätigen. Aufgrund des ausgeprägten Misstrauens und der übersteigerten Kränkbarkeit, ist es Narzissten nicht möglich, Vertrauenswürdigkeit und Integrität aufzubauen. Sie suchen Mitläufer, aber keine eigenständig, unabhängig denkenden Mitarbeiter.

Solange Ziele und Projekte einer narzisstischen Persönlichkeit mit der Realität konform gehen, wird das Unternehmen sich positiv entwickeln. Insbesondere bei Restrukturierungen oder in Marktkonstellationen, wo es nur Gewinner und Verlierer und keine Synergien gibt, kann die Vorgehensweise narzisstischer Führungskräfte erfolgreich sein. Wo Abwägung, analytisches Vorgehen, kreative Ideen und Konzeptionen gefragt sind, versagt das starre Weltbild der egozentrierten Führungskraft. In Führungspositionen lässt sich trotzdem eine etwa dreifache Verbreitung von narzisstischen Persönlichkeitsstrukturen beobachten als in der Gesamtbevölkerung. Begünstigt wird diese Tendenz durch Auswahlprozesse, die die Fähigkeiten zur Selbstdarstellung höher bewerten als analytisches und konzeptionelles Knowhow sowie empathisch wertschätzende Führung. An Kompetenzen ausgerichtete Interviewtechniken bieten hier gute Möglichkeiten, bereits bei der Auswahl der Führungskräfte, Schein und Sein zu trennen. Der Aufwand lohnt sich an dieser Stelle. Allzu häufig ist der materielle und kulturelle Schaden, den narzisstische Führungspersonen hinterlassen, für betroffene Unternehmen hoch und nur die Zeit ist in der Lage, diese Wunden wieder zu heilen.