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Generation Y - Ankunft im Vertrieb der Bauzulieferindustrie

Das Durchschnittsalter im Außendienst innerhalb der Bauzulieferindustrie liegt heute bei ca. 50 Jahren. Bis vor kurzem war die Generation Y (Anfang der 80er Jahre – Mitte der 90er Jahre geboren) oder auch Millennials genannt, also die heute Mittzwanzig bis Enddreißigjährigen, im Vertrieb der Branche noch recht selten vertreten. Gestandene Handwerksmeister auf der Verarbeiterseite und Architekten sowie planende Stellen verlangten eine Betreuung durch „gestandene Vertriebsmitarbeiter“ auf Augenhöhe. Der Außendienstmitarbeiter oder Vertriebsingenieur hatte also selten die 30 noch nicht überschritten. Dies führte dazu, dass die in vielen Funktionen und Branchen seit mehr als 10 Jahren diskutierte Veränderung in der Werteorientierung der Generation Y auf den Vertrieb der Bauzulieferindustrie bisher kaum Auswirkungen hatte. Dies ändert sich gerade massiv. Die sogenannten Baby-Boomer, also die Mitarbeiter jenseits der 55, verabschieden sich verstärkt in den Ruhestand. Zusätzlich angetrieben durch die Möglichkeit des vorgezogenen Ruhestandes hat erhöhter Nachbesetzungsbedarf in der Branche eingesetzt, der in den nächsten Jahren massiv ansteigen wird. Nachrücker bei diesen Neubesetzungen sind seit etwa 3 bis 4 Jahren insbesondere besagte Generation Y. Aufgewachsen in einem Umfeld, das durch Aufmerksamkeit und Wunscherfüllung durch die Eltern geprägt war, bildete sich eine Generation, die erstmals weitestgehend frei von monetären Abstiegsängsten aufwuchs. Dieses positive Fundament wird ergänzt durch ein hohes Bildungsniveau sowie Technologieinteresse und eine ausgeprägte Offenheit für fremde Kulturen. Diese neuen Rahmenbedingungen führen zu massiven Veränderungen der Wertestruktur in Bezug zur Arbeitswelt. Während in Managementberatungen und Unternehmen der digitalen Welt diese Werteverschiebungen bereits seit langer Zeit angekommen sind und Unternehmen längst reagiert haben, steht der Vertrieb der Bauzulieferindustrie erst am Beginn der notwendigen Anpassungen und sieht sich Herausforderungen und Verhaltensweisen gegenüber, die Führungskräfte im Vertrieb der Branche häufig mit Unverständnis reagieren lassen. Grund genug für uns um im heutigen „Denkanstoß“ die Wertestrukturen dieser Generation Y zu beleuchten und ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt und hier insbesondere die Vertriebsbereiche der Bauzulieferindustrie kurz zusammen zu fassen. Welche Trends lassen sich bei der Generation Y in Bezug auf die Arbeitswelt erkennen und welche Auswirkungen haben diese auf den Arbeitsalltag im Vertrieb der Branche?

These 1 – Double Income With Kids

In der großen Mehrzahl der Familien mit kleinen Kindern sind beide Eltern erwerbstätig. Das klassische Einverdienermodell wird mittlerweile nur noch von 25 % der Familien gelebt*. 76 % der Männer wünschen sich eine Partnerin, die mit für den Lebensunterhalt sorgt**.  Angestrebt wird also eine Partnerschaft, in der beide Partner sich gleichermaßen in Beruf und Familie einbringen können. Dies führt selbstverständlich auch zu veränderten Einkommensstrukturen. Das Haushaltseinkommen steigt. Gerade in einem Berufsfeld wie dem des Außendienstmitarbeiters in der Bauzulieferindustrie werden so schnell Einkommensniveaus erreicht, wo der Grenznutzen der letzten 200 – 300 € mehr Monatsgehalt nicht mehr entscheidend für die Lebensqualität ist. Zeit für die Familie und die Erziehung nehmen an Bedeutung zu. Beide Partner möchten sich in Erziehung und Hausarbeit einbringen. Aus dieser Konstellation leitet sich These 2 ab.

* Auswertung der Prognos AG auf Basis des Mikrozensus 2016, unveröffentlicht
** WZB (2013). Lebensentwürfe heute. Wie junge Frauen und Männer in Deutschland leben wollen, Berlin, S. 27

These 2 – Privatleben und Familie werden wichtiger

Obwohl Generation Y eine hohe Leistungsbereitschaft mitbringt und einer angemessenen monetären Entlohnung eine sehr hohe Bedeutung zugewiesen wird, darf dies nicht zu Lasten der Familie und des Privatlebens gehen. So lässt sich vielmehr der Wunsch einer Verschmelzung erkennen. Befeuert durch zunehmende Digitalisierung verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben. Flexibel sollten private Angelegenheiten auch während der Arbeitszeit erledigt werden können. Dafür arbeitet man wichtige Dinge auch außerhalb der Arbeitszeit ab, wenn es erforderlich ist. Hier liegt eine große Chance für Unternehmen, im Vertrieb mit Flexibilität zu punkten. Gleichzeitig werden Risiken sichtbar, die Optimierungen im Vertrieb schwierig machen. Während z. B. in der Vergangenheit große Vertriebsgebiete als Chance gesehen wurden, sind es heute oft die „Killer“ bei Neubesetzungen. Jede Übernachtung wird kritisch hinterfragt und wenn möglich vermieden. Hohe variable Anreizsysteme werden nicht als Chance gesehen, sondern im schlimmsten Fall als der Versuch, über den „schnöden Mammon“ zu motivieren. Dies führt uns zu These 3.

These 3 – Sicherheit motiviert häufig mehr als Karrierechancen

Wenn Familie und private Interessen eine immer höhere Bedeutung einnehmen und das zur Verfügung stehende Einkommen einen auskömmlichen Lebensstandard gewährleistet, nimmt die Bereitschaft, Risiken einzugehen, ab. So ist die Zahl der Neugründungen in Deutschland von 1,5 Mio. im Jahr 2003 auf 550.000 im Jahr 2018 gesunken***. Das gängige Klischee vom innovativen dynamischen Gründer der Generation Y dürfte damit widerlegt sein. Für die Wechselbereitschaft bedeutet dies, dass Mitarbeiter im Vertrieb – einmal zufrieden – sich nur schwer zu einem Wechsel motivieren lassen. „Ich bin hier zufrieden“ ist die mit Abstand gängigste Absage, die wir bei der Ansprache von Vertriebsmitarbeitern in der Branche, wenn auf einen Wechsel mit entsprechenden Perspektiven angesprochen wird, hören. Hier liegt Chance und Bedrohung zugleich. Mitarbeiterbindung ist bei guten Rahmenbedingungen nachhaltig machbar. Mitarbeitergewinnung stellt sich in vielen Fällen als schwierig dar. So ist es nicht ungewöhnlich, dass eine Spezialistenposition in einem Verband einfacher zu besetzen ist, als die Stelle eines Vertriebsingenieurs bei einem der Branchensegmentführer mit 30 % höherem Einkommen. Behörden, Ämter und andere öffentliche Einrichtungen als Arbeitgeber stehen mittlerweile ganz oben auf der Wunschliste vieler Millennials. Die Vermittlung von Sicherheit dürfte damit für die Zukunft ein zentrales Instrument der Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung, insbesondere im Vertrieb, darstellen.

*** Anzahl Gründer in Deutschland bis 2018 / Statista

These 4 – Der Wunsch nach sinnvoller Tätigkeit und Nachhaltigkeit

Alle Umfragen deuten darauf hin, dass eine hohe Leistungsbereitschaft und die Akzeptanz eines hohen Arbeitspensums bei der Generation Y gegeben sind, wenn sie Anerkennung und Wertschätzung erfahren und den Sinn in den Aufgaben erkennen können. Oft wird positiver Stress als zusätzliche Motivation erlebt. Arbeit wird also nicht mehr als Selbstzweck empfunden, sondern soll einen sinnvollen Beitrag leisten, den man in Gesellschaft und Umfeld einbringt. Neue Anreizmechanismen sollten auf übergeordnete Ziele, sowohl im persönlichen als auch im gesellschaftlichen Rahmen, ausgerichtet sein. Die anfangs beschriebenen Rahmenbedingungen, wie Aufmerksamkeit und Wertschätzung in der Erziehung und die damit verbundene zunehmende Individualisierung der Gesellschaft, fördern den Wunsch, als Person wahr- und wichtig genommen zu werden. Hier lassen sich Motivationsinstrumente kreieren, die über die monetären Aspekte hinausgehen. verkauft dann der Außendienstmitarbeiter der Zukunft nicht mehr moderne Heizungsanlagen, sondern aktiv die CO2-Reduktion und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen.

These 5 – Führung über Kompetenz und Coaching

Eine der nachhaltigsten Veränderungen der Arbeitswelt durch die Generation Y lässt sich im Wandel der Führung beobachten. Generation Y erwartet kompetente Unterstützung statt Anweisung, Vertrauen statt Kontrolle und ein kooperatives Umfeld. Dies verlangt Veränderung im Führungsverhalten. Noch vor 10 Jahren gab es häufig große Vorbehalte und Skepsis bei der Einführung neuer CRM Systeme. Die Generation Y dagegen fordert intelligentere Systeme um effizientes Arbeiten möglich zu machen. Heute ist IT-Equipment und ein aktuelles Smartphone oft wichtiger als die Marke des Firmen-PKWs. Teamorientiertes, vernetztes Arbeiten mit Kollegen nimmt an Bedeutung zu. Der Wandel vom Außendienstmitarbeiter, der über Beziehungen und gemeinsame Aktivitäten am Wochenende verkauft, zum konzeptionellen Verkäufer, der vernetzt mit gezielten Informationen unterstützt und alle Möglichkeiten ausschöpft, um seinen Kunden zu helfen, ihr Geschäft zu verbessern, ist in vollem Gange. Wertschätzende Führung mit Kompetenz ist an dieser Stelle gefragt. Diese Grundhaltung beginnt bereits in der Rekrutierungsphase. Die Zeit des Bewerberinterviews mit Standardfragen und einer klaren Hierarchie im Bewerbergespräch ist vorbei. Der Personalmarkt verengt sich. Wenn Führungskraft und Personalleiter heute Kandidaten mit Potenzial erkennen, ist der Switch zum Pitch gefragt. Das Interview wandelt sich mehr und mehr zum Expertengespräch auf Augenhöhe. Dies erfordert neue Skills und oft auch eine neue Einstellung. Die Generation Y wünscht zwar Führung und fordert auch Strukturen, akzeptiert aber weniger Macht und Autorität. Nicht alle Führungskräfte können bereits damit umgehen.

Die Generation Y wird in den nächsten Jahren bei der Nachbesetzung von Vertriebspositionen eine zentrale Bedeutung einnehmen. Vor diesem Hintergrund werden Flexibilisierung, Motivations- und Führungsinstrumente einem starken Wandel unterliegen. Um Ihnen detaillierte Informationen an die Hand zu geben, wie sich das Selbstverständnis dieser Generation im Detail darstellt, führen wir derzeit eine Befragung von mehr als 500 Vertriebsmitarbeitern im Alter zwischen 30 und 40 Jahren zum Thema Vertrieb im Spannungsfeld zwischen Arbeit und Familie durch. Die Ergebnisse werden wir Ihnen gerne im März 2020 in einer umfangreichen Studie präsentieren. Wenn Sie vorab einen Gedankenaustausch suchen, können Sie uns gerne unter Tel. 06441-56 92 60 oder kontakt@zimmerschied-personalberatung.de kontaktieren. Wir freuen uns auf anregende Gespräche.